DURCHS EISKAR AUF KLEINEN PYHRGAS

 

Firn-Flanken für Feinspitze

 

In den Haller Mauern stehen zwei Berge, auf denen stolpern manche nicht nur über Steine, sondern auch über ein stummes "h": Die einen sagen, die Bezeichnung "Pyhrgas" käme von den Kelten und würde so viel wie "Hügel" bedeuten. Der Germanistikprofessor Herbert Tatzreiter führt sie dagegen auf die slawische Bezeichnung "pregazu" für "Übergang" zurück. Derlei etymologische Gedanken dürften Wilhelm Schleicher, seines Zeichens Heimatforscher und Bürgermeister von Unteramt (heute Gresten-Land), kaum geplagt haben, als er um 1855 allein vom Pyhrgasgatterl auf den Großen Pyhrgas kletterte - "obwohl mir kein Steig bekannt war und die Felsen ziemlich schroff vor mir aufstrebten".

 

Steinernes Amphitheater

 

So geht es einem im Eiskar noch heute: In diesem Hochtal zwischen dem Kleinen Pyhrgas und dem Scheiblingstein-Massiv herrscht nach wie vor markierungs- und hüttenlose Alpin-Urzeit. Nur Firn-Feinspitze wissen einen versteckten Durchschlupf auf den kleinen Bruder des höchsten Haller-Mauern-Gipfels. Von unten, aus dem waldgesäumten Tal des Winkler Baches, ist es allerdings kaum vorstellbar, wie's gehen soll - von hier aus gesehen hebt unser Gipfel seine wildeste Wand über 2000 Meter Seehöhe hinaus. So heißt es zunächst einmal, die Spur ins Winkler Kar hinaufzuziehen. Am Fuß der Laglmauer steilt das Gelände auf; die Felsabstürze auf der rechten Seite sollte man sich für die Abfahrt merken. Bald öffnet sich das Eiskar und damit ein steinernes Amphitheater, dessen Schönheit noch von ein paar Metern Bergabfahren unterstrichen wird. Sollte hier der Magen zu knurren beginnen, dann bieten sich schöne Jausenplätze zum Rucksackplündern an.

 

Frisch gestärkt und im hoffentlich nicht mehr ganz harten Schnee geht es dann rechts den unübersehbar großen Schneehang hinauf. Die gleichmäßige Neigung produziert Vorfreude aufs Hinunterschwingen; die tatsächliche Steilheit dringt aber erst 200 Meter weiter oben ins Bewusstsein, wenn sich die Felsen zu einer Rinne und schließlich zur Schlucht verengen. Da hinauf? Ja, aber ohne Ski, denn bald schaffen die Bretter keine Spitzkehren mehr, und mitunter apert auch das Gestein aus. Nach schweißtreibendem Stapfen erreicht man schließlich den Grat, auf dem sich ein phantastisches Panorama über das Garstnertal auftut. Vorsichtig wird die luftige Gipfelschneide nach rechts bis zum großen Metallkreuz erstiegen. Warten Sie nicht allzu lang mit dem Abstieg - wenn der Firn so richtig zischt, dann ist die Abfahrt ein Traum!

 

Wichtige Informationen zu dieser Tour:

 

Tourengebiet:
Pyhrn-Eisenwurzen, Haller Mauern.

Tourencharakter:
Anspruchsvolle Frühjahrs-Skitour mit schwierigem Gipfelanstieg, nur bei guten Schneeverhältnissen (Firn) ratsam. Lawinengefahr beachten!

Ausgangs-/Endpunkt:
Oberweng (Gem. Edlbach) bei Windischgarsten.

Zufahrt/Rückfahrt:
Entweder von Windischgarsten Richtung Rosenau/ Hengstpass, nach ca. 4,5 km rechts nach Edlbach/ Oberweng hinauf. Vorbei am Berggasthof Zottensberg und nach weiteren 4,5 km, gleich nach der Brücke über den Winkler Bach, links ins Tal abzweigen und bis zur Fahrverbotstafel. Nach Oberweng geht's auch von Spital oder von Windischgarsten über Mitterweng.

Route/Gehzeit:
Schroflerreut (ca. 900 m) - Winkler Kar - Eiskar - Skidepot in der Südschlucht - Kleiner Pyhrgas (2023 m): 3 1/2 - 4 Stunden. Abfahrt auf der gleichen Route: III, 1000 Höhenmeter.

Ausrüstung:
Komplette Skitourenausrüstung inkl. Verschüttetensuchgerät und Lawinenschaufel; Proviant und genug Getränk. In der Südschlucht sind zeitweise Steigeisen notwendig.

Karte:
Nr. 99, Maßstab 1:25.000.

Literatur:
Ingo Mörth/Heinrich Potuschak: Schitouren zwischen Enns- und Steyrtal, Ennsthaler Verlag, Steyr.

 


Wolfgang Heitzmann, in: Freizeitnachrichten, 10. 3. 2000

 

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